Als Eintracht Frankfurt am 2. September weit nach 00:00 Uhr die finale Entscheidung um die Personalie Randal Kolo Muani veröffentlichte, wurde in der Geschäftsstelle am Frankfurter Stadion mit an großer Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein Kaltgetränk mit Entspannungscharakter verzehrt. Nein, nicht nur ob der Rekordeinnahmen. Zu heiß und turbulent waren die letzten Wochen auf dem Spielertransfermarkt. Als Manager und Kaderverantwortlicher eines Profifußballvereins ist es die arbeitsintensivste Zeit des Jahres. Dass das Stellenprofil mittlerweile das Skillset eines Krisenkommunikators verlangt, liegt an einer neuen Generation von Spielern und Beratern, die geltende Verträge als lästiges Stück Papier betrachten und Streik als Mittel zum Zweck nutzen. Mit dem bewussten Fernbleiben vom Training und der eigenständigen Abreise in seine Heimat hatte Randal Kolo Muani, Top-Torjäger der Eintracht, dem Verein zum Start der Bundesliga und kurz vor dem wichtigen UECL-Qualifikationsrückspiel gegen Levski Sofia einen Schlag in die Magengrube versetzt. Wie die Eintracht-Manager rund um Markus Krösche es schafften, mit strategischer Kommunikation das Krisenszenario zu kontrollieren, das lesen Sie in diesem Monat im Feldhoff-Blog.
Business-Modell Eintracht Frankfurt
Damit der Klub langfristig sportlich und wirtschaftlich wachsen kann, benötigt der Verein Transfererlöse. Dies ist kein Geheimnis. Das Ziel: Junge Talente ausbilden und anschließend mit Mehrgewinn verkaufen. Ein Paradebeispiel, wie ein solcher Prozess ablaufen kann, war die Personalie Jesper Lindström. Vor zwei Jahren hatte die Eintracht etwa sieben Millionen Euro an Bröndby Kopenhagen überwiesen, um Lindström an den Main zu lotsen. Vor ein paar Tagen erst, also während der Fall Muani parallel lief, entschied sich die Eintracht, Lindström für 35 Millionen Euro nach Neapel ziehen zu lassen. Alle Parteien waren zufrieden, die Kommunikation stets auf Augenhöhe. Am Ende gab es kein böses Blut, ganz im Gegenteil: Es gab sogar einen Abschiedsgruß, in dem Spieler und Verein sich gegenseitig alles Gute für die Zukunft wünschten.
Kolo Muani will sich zum Vereinswechsel streiken
Ganz anders lief es bei Kolo Muani. Nachdem Paris Saint Germain Interesse am 24-Jährigen äußerte, waren sich der Top-Stürmer und seine Berater schnell mit PSG über einen potenziellen Arbeitsvertrag einig, dessen finanzielle Konditionen schätzungsweise 15- bis 20-mal höher angesiedelt waren als der Vertrag Kolo Muanis in Frankfurt. Nur die Ablöseforderung schien den Parisern nicht ganz zu passen. In einem ersten Angebot wurden 65 Millionen Euro angeboten. Diese wurde seitens der Eintracht abgelehnt. Auch eine zweite, verbesserte Folgeofferte in Höhe von 80 Millionen Euro lehnten die Adler ab. Dass ein junger Mann in seine Heimat zurückkehren möchte, weil der dort den Deal seines Lebens angeboten bekommt, dass kann auch der größte Fußballnostalgiker nachvollziehen. Aber das Fußballgeschäft ist nun mal kein Wunschkonzert. Der Haken für Kolo Muani bleibt: Der Vertrag bei der Eintracht ist noch ein paar Jahre gültig und wird nur gegen eine Zahlung von rund 100 Millionen Euro aufgelöst.
Kolo Muani entscheidet sich dafür sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Sein Vorgehen war dabei durchdacht: In einem ersten Schritt hinterlegt er bei den Vereinsverantwortlichen der Eintracht den Wechselwunsch. Anschließend lässt sukzessive die Trainings- und Spielleistung nach, gepaart mit passender Lustlosigkeit mit entsprechender Gestik und Mimik. So geschehen beim Pokalspiel in Leipzig, bei der Begegnung in Sofia (Hinspiel UECL) sowie in den ersten beiden Bundesligaspielen. Trotz dreier Tore von Kolo Muani in den vier Spielen, sieht man ihm die Enttäuschung über den ausstehenden Wechsel an. Danach folgt die Einbeziehung der Medien und Öffentlichkeit. In einem nicht vom Verein autorisierten Interview mit einem reichweitenstarken TV-Sender bittet der Spieler den Verein öffentlich um Freigabe. Als auch das nicht funktioniert, erscheint Kolo Muani nicht zum Abschlusstraining für das UECL-Rückspiel gegen Levski Sofia. Er ist offiziell in Streik getreten und nach Frankreich zu seiner Familie gereist. Eintracht Frankfurt streicht ihn deshalb aus dem Kader für das Europacup-Rückspiel sowie für das anschließende Bundesligaheimspiel gegen den 1. FC Köln.
Kein Spieler ist größer als der Verein – Eintracht Frankfurt setzt es um und betreibt Kommunikation par excellence
„Kein Spieler ist größer als der Verein“ – diese oftmals verwendete Floskel hat sich Eintracht Frankfurt als Grundlage seiner strategischen Ausrichtung in der Causa Kolo Muani gesetzt und danach seine gesamte Kommunikationsstrategie ausgerichtet. Und dabei wurde konsequent an der 100 Millionen Euro Ablösegrenze festgehalten.
Es ist für den Verein auch nicht das erste Mal, dass ein Spieler sich „wegstreiken“ wollte. Ende August 2021 informierte Mittelfeldspieler Filip Kostic die Eintracht-Bosse, dass er am Abschluss-Training für das Bundesligaspiel bei Arminia Bielefeld nicht teilnehmen könne. Seine Absicht war es, einen Wechsel zu Lazio Rom zu erzwingen. Doch er bleib erfolglos. Die Eintracht-Verantwortlichen blieben unbeeindruckt und Kostic wurde der Wechsel aufgrund eines zu geringen Ablöseangebots verwehrt. Das Ende vom Lied: Kostic bat anschließend Verein, Mannschaft und Fans um Entschuldigung und zahlte eine Geldstrafe. Er wurde ins Mannschaftsgefüge reintegriert und hatte nach der Saison großen Anteil daran, dass die Eintracht den UEFA-Pokal gewonnen hat. Mit dieser Erfahrung im Gepäck konnte die Eintracht zuversichtlich das Ziel verfolgen, die Krisensituation um Kolo Muani auf kleiner Flamme zu halten. Und dass, obwohl die Fans in der Öffentlichkeit und vor allem in den sozialen Medien wüteten.
Mit Identifikation einer möglichen Krise – als Kolo Muani erstmals seinen Wechselwunsch beim Eintracht-Vorstand hinterlegte – hat sich die Eintracht dazu entschieden, den Fall reaktiv zu behandeln: Schenke dem Krisenherd in der Öffentlichkeit keine Aufmerksamkeit. Man hat sich zu keiner Zeit proaktiv zur Situation geäußert. Wenn seitens der Medien und Öffentlichkeit nachgefragt wurde, hörte man bis zum Zeitpunkt des unautorisierten Interviews Kolo Muanis singgemäß immer die gleiche Kernbotschaft: „Randal ist ein guter Junge, das wissen wir. Auf ihn prasselt derzeit eine Menge ein und viele Leute zerren an ihm. Das wissen wir einzuschätzen.“ Man ließ ihm stets eine Hintertür für eine mögliche Rückkehr offen, wohlwissend um den Fall Filip Kostic. Selbst als das unautorisierte Interview und der Streik folgten, hielt man am Wording fest, wurde in der Beurteilung der Handlungen zwar deutlicher, aber blieb weiter rational: „Es prasselt aktuell sehr viel auf ihn ein und daraus resultiert diese Reaktion, die falsch ist, was wir ihm und seinem Umfeld auch klar und in allen Auswirkungen verdeutlicht haben. Wir werden das Spiel gegen Levski Sofia ohne ihn bestreiten. Für uns ist klar: Das Verhalten hat keinen Einfluss auf Transferaktivitäten.“ Parallel dazu hat die Eintracht den kommunikativen Redaktionsplan in der Öffentlichkeitsarbeit strikt weiterverfolgt – von Posts und Stories in den sozialen Medien (Shared Content) bis zu Beiträgen auf den eigenen Kanälen (Owned Content). Auch hier der Beweis: Keine Aufmerksamkeit der Krise, sondern Darstellung des „normalen“ Alltags bei Eintracht Frankfurt.
Auf der finalen Pressekonferenz vor dem UECL-Spiel gegen Levski wurde das Thema seitens der Eintracht nicht aktiv angesprochen – ein weiterer Beleg für den reaktiven Umgang damit. Als Trainer Dino Toppmöller von der Presse auf den Streik angesprochen wurde, wurde wieder die Kernbotschaft rund um das viele Einprasseln auf Kolo Muani gespielt. Gleichzeitig war der Trainer darauf bedacht, das Thema klein zu halten und schwenkte nach der ersten Kernbotschaft direkt auf die zweite (sportliche) Kernbotschaft. „Mit dem Ausfall von Randal können sich nun andere Spieler präsentieren.“ Damit wurde weiterhin Verständnis für Kolo Muani geäußert, gleichzeitig wurde der Fokus wieder auf das Sportliche gelenkt.
Das Spiel gegen Levski bestritt die Eintracht siegreich. Mit einem 2:0 gelang es dem Team von Dino Toppmöller sich für die Gruppenphase der UECL zu qualifizieren. Merkte man, dass Kolo Muani fehlte? Sicherlich, er bleibt schließlich ein Ausnahmespieler. Hat es der Atmosphäre im Stadion und letzten Endes der sportlichen Leistung geschadet? Nein, das hat es nicht. Und einen großen Anteil daran hatte die Qualität der Kommunikation.
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