Markenwerte sollten signifikant sein, die Haltung, Kultur und Leitlinien des Unternehmens widerspiegeln - dazu braucht es mehr als nur die Nennung von generischen Begriffen, die eigentlich Hygienefaktoren darstellen.
Markenwerte sollten signifikant sein, die Haltung, Kultur und Leitlinien des Unternehmens widerspiegeln, in ihrer Gesamtheit einen Eindruck vermitteln, wie das Unternehmen samt seiner Mitarbeitenden tickt, an welchen Prinzipien es sich orientiert, nach welchen Prämissen es handelt. Wenn ich mich hingegen auf Unternehmenswebseiten umgucke oder mir eine Corporate Identity Guideline in die Hände fällt, stoße ich immer wieder auf sogenannte Werte wie Qualität, Verantwortung, Integrität, Teamspirit oder Leidenschaft - meines Erachtens Hygienefaktoren, denn wer würde schon sagen, dass er Wert auf schlechte Qualität, Verantwortungsabgabe, Korruption, Egoismus oder Passivität legt? Qualitätsbewusstsein beispielsweise ist natürlich lobenswert, jedoch so verallgemeinert skizziert, dass dem Begriff zu viele Spezifika fehlen, um den Stempel "Markenwert" zu erhalten.
Mein Partner muss humorvoll sein
Ein Beispiel aus einem anderen Kontext: Fast jeder wünscht sich vom idealen Partner „Humor“. Aber wie oft liegt es genau an diesem, dass es zu Konflikten kommt, weil er nicht verstanden (in Ostasien z.B. ist Ironie nicht kulturimmanent) oder missinterpretiert wird, einen wunden Punkt trifft, ein Witz nach hinten losgeht? Humor ist nicht gleich Humor. Ist er ironisch, selbstironisch, sarkastisch, zynisch, trocken, schwarz, britisch-schwarz, komödiantisch, charmant, scharfsinnig, intelligent, schlagfertig, eindeutig, zweideutig, anzüglich, wohlwollend, spöttisch, aggressiv, bloßstellend, auf Stammtisch- oder Schenkelklopfer-Niveau? Die Art des Humors ist ein individuelles und somit prägendes Merkmal einer Person. Es reicht nicht aus, nur den Überbegriff zu verwenden, um diese treffsicher zu beschreiben, humorvoll benötigt mindestens ein weiteres Adjektiv. Und genauso verhält es sich mit Werten, die eine Marke charakterisieren.
Wie definiert man gute Markenwerte?
Es ist wenig zielführend, sich alleine in ein stilles Kämmerlein zurückzuziehen, um mal schnell ein paar Werte zu definieren. Man muss sie spüren, erleben, fühlen können! Markenwerte sind Teil eines Gesamt-Markenleitbilds – dazu gehören u.a. Mission, Vision, Purpose, USP (dazu an anderer Stelle mehr) – das wir bei Feldhoff & Cie. innerhalb eines mehrstündigen Workshops gemeinsam mit den Mandanten entwickeln. Dabei empfehlen wir, dass sich die Teilnehmenden aus einer Bandbreite an unterschiedlichen Kompetenzen, Perspektiven und Erfahrungen zusammensetzen, um authentische Ergebnisse zu erhalten. Gleichzeitig fördern wir dadurch die zukünftige Akzeptanz – denn wer selbst am Entstehungsprozess beteiligt war, die eigenen Ideen mit eingeflossen und berücksichtigt worden sind, wird das Markenleitbild mit viel höherer Wahrscheinlichkeit mitgetragen und zum Leben erwecken bzw. am Leben erhalten.
Bilder machen Worte
Zu meinen Lieblings- und ergiebigsten Kreativitätstechniken gehört die „Postkarten“-Übung. Seit nun schon über 20 Jahren sammele ich Werbe-Postkarten, die man meistens vor den Toiletten in Restaurants und Bars findet (ich freue mich über weitere Spenden 😊) und die mittlerweile einen ganzen Koffer füllen. Der Ablauf: Aus allen Karten soll sich jeder Teilnehmende jeweils drei heraussuchen, die seiner ganz persönlichen Meinung nach hervorragend zur Unternehmensmarke passen sowie drei, die völlig konträr zu ihr stehen. Auswahlkriterien können Motive, Texte oder auch nur einzelne Elemente wie Farben oder Muster sein. Anschließend stellt jeder seine Karten im Plenum vor und erzählt, warum er diese ausgewählt hat. Alle Aussagen notiere ich und frage an der ein oder anderen Stelle nach, um noch mehr Insights herauszukitzeln – was häufig auch den Rest der Gruppe dazu animiert, weiteres Feedback zu geben. Im Anschluss an den Workshop transkribiere ich alle Statements, clustere sie in Gruppen und gebe jedem Cluster eine zusammenfassende Überschrift. So kann eine Clusterung aussehen:
Jetzt kommt die eigentliche Arbeit
Dann setzt der kreative Prozess ein: Wie verpackt man die Worte in griffige, individuelle und inspirierende Werte? Bei der Formulierung ist nicht nur die rein inhaltliche Übertragung ausschlaggebend, sondern genauso die Tonalität, die Grundstimmung, die vermittelte Sprach-, Unternehmens- und Teamkultur. Ich schaue mir die Ergebnisse an und versetze mich gleichzeitig in die Workshop-Situation, hole das Gefühl für die Menschen und Atmosphäre zurück. Welche Themen müssen genannt werden, um die Marke treffend und vollumfänglich zu beschreiben? Was ist nur nebensächlich und kann vernachlässigt werden?
Nach der Priorisierung und Definition der grundsätzlichen Werte-Oberbegriffe geht es an die konkrete Formulierung, indem ich mit allen Aussagen jongliere, formuliere, umformuliere, verwerfe, neu formuliere, die Ergebnisse der weiteren Workshop-Kreativitätstechniken miteinbeziehe, auf zusätzliche Quellen (Unternehmens-Website, Broschüren etc.) zurückgreife, Synonyme/Antonyme/Redewendungen etc. googele, beim Joggen im Wald brainstorme (ist tatsächlich eine meiner Haupt-Inspirationsquellen) … Im nächsten Schritt unterlege ich die Werte mit Stichpunkten aus den Workshop-Ergebnissen, um diese noch klarer einzugrenzen und suche ein passendes Bildmotiv zur visuellen Untermauerung. Ich will verdeutlich: Es mag für einige so aussehen, als ob es easy wäre, ein paar Werte zu Papier zu bringen, der Weg dorthin erfordert aber Hirnschmalz, Fleiß und sprachliche Empathie . Dieser Prozess kann recht zügig gehen, manchmal aber auch nicht.
Ein "gutes" Unternehmen bringt den Flow
Was ich über die vielen Jahre gemerkt habe: Je klarer, harmonischer und zufriedener ein Team ist, desto leichter lässt sich ein Markenleitbild inklusive Werten entwickeln. Dann kristallisiert sich schon während des Workshops ein scharf umrissenes Verständnis heraus, das „nur“ noch in ein Raster gebracht werden muss. Wohingegen ein „vergiftetes“ Unternehmen sich nur schwer greifen lässt – auch wenn das der Job des Marketeers ist. Hier erinnere ich mich dankenswerterweise nur an eine einzige Firma, bei der es schier unmöglich schien, sie überhaupt als Marke wahrzunehmen (besagtes Unternehmen ging wenig später monatelang durch die Presse – und das nicht positiv …).
Der Output
Das Ergebnis sind etwa fünf Werte, manchmal auch mehr. Ich muss das Gefühl haben: Mit diesen Werten decke ich alles ab, was die Marke ausmacht. Es sollte keine Redundanz entstehen, aber auch kein wichtiges Element fehlen. Und je simpler, sprachlich natürlicher ein Wert von der Zunge geht, desto besser. Dabei muss nicht der einzelne Wert einzigartig sein, das Zusammenspiel aller Werte, der Wertekosmos vermittelt die Unternehmenshaltung, rational und emotional. Es geht nicht nur um einzelne Worte, sondern um das, was sie im Kopf triggern, zu welchen Geschichten sie inspirieren. Genauso verhält es sich z.B. auch bei Claims, die manchmal so banal wirken, als hätte man sie zwischen Tür und Angel notiert (passiert in Glücksfällen, meistens aber nicht). Die Story um den Claim herum (und wie man die Story kommuniziert) ist Teil des Claims, nicht nur der Claim an sich.
Was passiert mit den Werten, außer dass sie in einer Powerpoint präsentiert werden können? Wir empfehlen, die Werte im gesamten Team zu besprechen, nachzufragen, was sie für jeden einzelnen bedeuten und welche konkreten Dos und Don'ts man aus ihnen ableitet (beispielsweise verschriftlich in einem Booklet oder einem Poster). Man sollte sie auch Teil des Employer Brandings machen und sie im Kandidaten-Auswahlprozess als eine Art Charakter-Checkliste für die Bewertung der Bewerberpassung heranziehen. Zudem dienen Werte zur Orientierung für alle internen und externen Kommunikationsmaßnahmen.
Beispiele für Markenwerte, die Geschichten erzählen
Hier ging es darum, den Vorteil von recht konservativen Strukturen aufzuzeigen, die vielleicht langweilig wirken, aber gleichzeitig - durch ihre Stabilität - ermöglichen, Neues zu wagen. Die Formulierung ist bewusst so gewählt, dass wir nicht davon sprechen, mutig zu sein, sondern dass eine sichere Absprungbasis vorhanden ist, um Mut zu ermöglichen - gleichzeitig ein Aufruf, ab und zu aus gewohnten Strukturen herauszubrechen.
In Anlehnung an den Titel einer alten ZDF-Serie fiel dieser Satz mehrfach während des Workshops, den wir eins zu eins als Wert übernommen haben. Ein gutes Beispiel dafür, wie man in wenigen Begriffen mehr vermitteln kann, als nur deren wörtliche Übersetzung: Entscheidungsfreude, Umsetzungsschnelligkeit, klare Kommunikation, Direktheit, Schörkellosigkeit, Dynamik, Agilität.
Für ein alteingesessenes, über mehrere Generationen erfolgreich geführtes Familienunternehmen haben wir diesen Markenwert entwickelt. Zusätzlich zur Generationen-Historie vermitteln wir mit dieser Aussage Stabilität, Kontinuität, Nachhaltigkeit, Verantwortungsbewusstsein, gesundes Wachstum, langfristige Beziehungen.
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